Sonntag, 11. Oktober 2015

kein Angst ...

nur Respekt :-)
So sagt man zu den langen Kanten und vor unbekannten Aufgaben.
Eine dieser Aufgaben stand mir noch bevor.

Und Respekt hatte ich gehörig; vor dem höchsten Berg der ehemaligen DDR und Honnis Hochposten gen Westen.
Korrektur: der höchste Berg der DDR war/ist der Fichtelberg. Danke an Alexander für den Hinweis. Erdkunde war nicht meine Stärke :-(


Fa. Horch und Guck :-))
Schnell stand für mich nach den letzten Marathons fest, dass ich auch bei noch intensiverem Training keine sub 3:00 h für die 42,195 km erreichen würde. Dafür habe ich wohl zu spät damit angefangen und zum anderen waren die letzten Male immer durch verletzungsbedingte Pausen gekrönt.
Ganz im Gegensatz zu den langen Kanten. Hier blieb ich trotz wirklich langer Trainingsumfänge im moderaten Tempo unverletzt und hatte selbst nach 60km-Umfängen keine Probleme am Folgetag wieder eine Einheit zu absolvieren. Also fiel der Schwerpunkt für die Zukunft auf Ultra-Läufe und Landschaftsmarathons.

Und natürlich sind auch die Berichte von Läufern ausschlaggebend, sich solch eine Herausforderung anzutun. Mit 1143 Meter über normal Null ist der Brocken sicherlich eine Herausforderung und für einen Herbstmarathon auch wettertechnisch mit einigem Risiko behaftet.

Eine Woche konnte ich meinen Ar... still halten nach der Müritz-Umrundung, bevor ich wieder einen Trainingsplan auskramte :-(

So verflog das eigentlich ungeplante Training wie im Flug und es kamen einige km zusammen, bevor es wieder einmal an das Tasche packen ging.
Die Statisktik meldet seit dem 01.09.2015 zur Vorbereitung auf den Brocken-Marathon:
400 km gelaufen
750 km geradelt
5000 pos. Höhenmeter.

Bereits 2 Wochen vor dem Start beobachtet ich aufmerksam die Wetterprognose und änderte fast täglich die Kleiderwahl.
In den Trainingsläufen verlagerte ich die Einheiten immer öfter auf den Haustrail, unternahm einige Läufe über 20 km mit extra vielen Höhenmetern und testete in der Klamottenwahl alles was die Kleiderkiste hergab:
Trägershirt, Funktionsshirt mit Funktionsunterhemd, Trägershirt mit Funktionsunterhemd und Ärmlingen und letztlich fiel die Wahl auf genau das letztere. Die Ärmlinge hatten zusätzlich den Vorteil, dass man sie bei Bedarf auch runterstreifen und als Schweißband nutzen konnte. Kurze Hose stand eh fest und für den Kopf die tolle Mütze vom Bilstein-Ultra.

Die letzte Woche hatte allerdings noch eine dienstliche Aufgabe in Stuttgart für mich und so musste ich die letzten Tage etwas vom eigentlichen Training und Ernährungsplan abweichen.


unser Messestand in Stuttgart auf der MOTEK
Die Eiweißdiät musste auf 2 Tage reduziert werden und das Carbo-Loading fand nur am letzten Abend statt. So konnte ich dennoch gut vorbereitet, aber mit dem gehörigen Respekt die Reise am Sonnabend nach Wernigerode antreten.

Der Wecker klingelte 4:45 und nach Power-Müsli mit Banane, Chia, Birne, Haferflocken, Soja-Reis-Milch und Hanfeiweiß machte ich mich 5:30 Uhr auf den Weg.
Nichts los und so konnte ich einen wundervollen Blick auf die "blaue Stunde" einfangen (aber nicht nachmachen!).


gen Osten :-)
Landung nach kurzer Irrfahrt, da Ausfahrt verpasst, um 7:50 Uhr in Wernigerode und den letzten Parkplatz vor der Duschmöglichkeit erhascht ;-)

Umgezogen, einen Peter (Ü70) kennen gelernt, Glück und Erfolg gewünscht, und schon war der Gnü bei 4°C auf dem Weg zum Start.
Was war ich froh in letzter Minuten die Handschuhe eingepackt zu haben :-)

+Michael Mankus war natürlich nicht ganz unschuldig an meiner Anmeldung, ist er doch schließlich des öfteren hier am Brocken unterwegs und so war es fast nahe liegend ihn hier zu treffen :-)



Immer wieder toll, wenn man sich auf Veranstaltungen trifft und nach kurzen Snack waren wir auch schon am Start.
Ansprache des Veranstalters und einer Frau, deren Namen ich nicht mehr weiß, mit dem Hinweis, dass der Lauf auf dem Brocken anfängt. Und für viele würde sie Recht behalten.

Das Streckenprofil spricht für sich:


Streckenprofil Brocken-Marathon
Oh ha. Der 1. Halbmarathon führt also von Wernigerode bis Ilsenburg noch relativ flach und wird ab hier einiges abverlangen. Das hieß Kräfte einteilen und haushalten.
Michael meinte was von 4:30/km und dann mal sehen was geht und ich meinte nur: Viel Spaß, man sieht sich im Ziel :-( Denn das würde ich nicht packen. Respekt, wie eingangs geschrieben :-)

Die Veranstalter ließen uns durch Cheerleader etwas aufheizen und regten zur Standaerobic an. Nach dem Startschuss setzte sich die Meute von 688 Läufern und Läuferinnen in Bewegung.



Wie so oft sind auch hier genug dabei, die sich freundlicherweise gaaaanz vorn Positionieren, um bereits auf den ersten km von hinten überholt zu werden.
Man kennt das schon und so braucht man sich nicht großartig umstellen :-)))

Im Zick Zack und mit Anmeldung überholte ich einige und hatte den Eindruck relativ weit vorn zu sein. Wie sich am Ende herausstellte, waren die Toppläufer aber 1. einige mehr und 2. schon weit weg :-(

Bis Ilsenburg hatte ich mir eine gute Position im Feld erarbeitet und lief sehr frei und einsam gen Aufstieg.
Bei km 9 kam der 1. VP und ich fummelte das 1. Gel aus dem Rucksack. Wasser gegriffen und fast wäre es auf der Zunge gefroren :-(
Zum Glück hatte ich die Trinkblase gefüllt und machte mich somit von den VPs unabhängig und konnte verpflegungstechnisch frei agieren.

Die Straße wurde zur Waldautobahn und wir machten uns an den Aufstieg zum Brocken, der mit 7,9 km ausgeschildert war.

Doch die umliegenden Höhen hauchten mir mehr Respekt ein, als ich anfangs eingestehen wollte. 8 km Aufstieg habe ich des Öfteren am Edersee zum Peterskopf trainiert, doch hier wusste ich, dass es mehr und steiler werden würde. Nur wie viel sollte ich erst einiges später erfahren.


Nebelverhangen
Entlang der Ilse kämpften wir uns nach oben. Ich konnte es nicht lassen und musste die Kamera zücken, denn zu schön war der zur Rechten fließende Bach.


an der Ilse entlang 
Wir hatten bis hier das Glück einige der Wanderer zu überholen, die uns natürlich mit Applaus und Aufmunterungen bedachten und es somit relativ kurzweilig war. Allerdings wurden derer immer weniger und um so höher man kam um so einsamer wurde es.


der Gipfel in Sicht :-)
Immer weiter nach oben ging der nicht enden wollende Weg. Aber er wurde für mich immer schöner. Wir erreichten endlich das, was ich am meisten mag: Singletrails:




Nach weiteren 9 km hatten wir die berüchtigte Panzerstraße erreicht und an Laufen war bei mir nicht mehr zu denken.
Ich musste immer wieder ins Gehen verfallen, weil es zum einen zu Steil und zum anderen unmöglich war zu laufen, auf diesen Betonplatten :-(

Dafür hatten wir so was von Glück mit dem Wetter. Es wurde zwar immer kälter und ich denke, dass wir gefühlt bei -5°C angekommen waren. 
Meine Lippen waren bereits taub und antworten war nicht möglich, als mich einer auf die Aussicht ansprach. Sorry :-(

Aber wenn man schon gehen muss, kann man auch Bilder machen, dachte ich und fingerte mit steifen Fingern das Handy aus dem Rucksack.


auf der Panzerstraße
Oh man. Was haben die an Beton hier aufgefahren :-(
Die Fernsicht war dafür einmalig und ich war gar nicht so böse hier von den Wegebeschaffenheiten ausgebremst zu werden.


Blick auf die Eckertalsperre
Es gab immer wieder welche, die genug Kraft oder Kondition hatten mich hier zu überholen. Aber ich muss gestehen, ich habe mich kampflos ergeben und fand das mal ausnahmsweise überhaupt nicht schlimm. Ich musste unweigerlich an mein Kennenlernen von +Michael Kloß denken :-)
2014 trafen wir uns das erste Mal beim Kyffhäuser-Marathon. Auch hier konnte ich nicht anders und musste auf dem Gipfel einfach das Handy zücken. Heute noch berichtet Michael davon :-)

Dann war der Gipfel des Brocken endlich erreicht.
oben
Ja. Was soll ich sagen? Der Gesichtsausdruck spricht für sich!
Ich war echt am Arsch. Sorry. Aber das war mit Abstand der härteste Halbmarathon, ever! Gerade noch knapp unter der magischen 2h-Grenze und schon flog ich am Gipfelstein vorbei und machte mich auf den Abstieg. 
Die Kälte auf dem Berg lies mich gar nicht an ein Bild denken und der Beifall der Ausflügler spornten wieder an.
Über eine für Läufer sehr undankbare Asphaltdecke ging der Weg, bis wir auf lauffreundlichen Waldboden den Wegweisern der Brockenhexe folgten.
Wobei die Hinweisschilder nicht gerade zur Motivation beitrugen. Wer will schon nach Elend? Elendlich war mir schon genug zu Mute und wie die Frau am Start schon sagte; das Rennen beginnt auf dem Berg. Downhill laufe ich ja ganz gern und auch beim Nordhessencup gibt es einige der Passagen. Doch nie über 20 km. Alter, das ist übel.

Etwas Dampf raus, denn umknicken oder anderweitig verletzten wäre weniger toll. Mit 4:30-4:10/km flog ich fast ins Tal. Doch die Gehpausen konnte ich nicht mehr kompensieren. Die Durchschnittspace pendelte bei 5:20/km ein was eine Zielzeit von unter 3:30 nicht mehr möglich machte. Ich hatte ja nicht wirklich auf ein Ziel hin trainiert; ich wollt den Lauf einfach nur finishen. Unter 4h zwar, und alles was drunter sein würde wäre einfach nur super.

Hin und wieder schaffte es einer von hinten auf mich aufzulaufen und zu überholen. Auch ein alter Bekannter vom Bilstein holte auf und zog an mir vorbei. Manchmal läufts halt :-)

Manchmal eben nicht :-(
Ich zückte ein letztes Mal das Handy, um diese Traumlandschaft einzufangen, denn wenn man schon ein Gel nimmt und in Schritt verfällt, kann man sich diese Sekunden auch noch leisten.



Wir kamen endlich aus dem Wald. Die Herbstsonne fiel auf den Rücken und taute mich auf. Die Ärmlinge waren eine gute Wahl. Endlich konnte ich sie runter streifen. Auch die Handschuhe verschwanden im Rucksack.
Und dann kam der Zeitpunkt, dass es für andere eben nicht mehr läuft :-)
Während bei ihnen der Downhill Tribut zollte, lief es für mich immer besser. Ich konnte die Pace immer weiter beschleunigen und ein paar Läufer einfangen. Ein weiterer Vorteil war, dass wir uns mit den Halbmarathonis vereinigten. Das motiviert ungemein. Und wenn dann einige hinter dir meinen: "das sieht so locke aus, bei dem" dann richtest du dich extra hoch auf und lässt es mit stolzgeschwellter Brust laufen. 
Das letzte Gel aus dem Rucksack gefischt und mit dem Inhalt des Trinkrucksackes herunter gespült. Pace angezogen und ab km 38 Vollgas.
km 38 = 4:35/km
km 39 = 4:30/km
km 40 = 4:24/km
km 41 = 4:19/km
km 42 = 3:52/km

Und dann hörst du endlich das Ziel.
Wie so oft ist es einfach endlich Zeit ins Ziel zu kommen.
Musik, Beifall, Stadionsprecher, Menschen die dir zujubeln, dein Name, Ziel, Stopp-Taste, Medaille.
Endlich. Endlich im Ziel, endlich geschafft. Stehen bleiben dürfen, Füße stillhalten. Luft holen können. Runterkommen.

Erster Blick auf die Uhr. Sub 3:40. Super




Krass :-)
3:39:22 h als offizielle Endzeit
Platz 70 gesamt 
Platz 15 AK45
Mehr als zufrieden machte ich mich im Laufschritt auf zur Schule, denn es wurde ja nicht wärmer. Schöne heiße Dusche genossen und endlich wieder die Fingerspitzen und die Lippen gespürt.

Was blieb war die Meldung an die Lieben daheim und das Einlösen der Gutscheine für die Erbsensuppe und das Bier (leider kein Alkfreies). Dafür war die Suppe sensationell und ich fühlte mich fast 25 Jahre zurück versetzt. Es war irgendwie schön. Wie früher und leider habe ich das Zusammensein bei den vielen Wettkämpfen im Westen der Republik so nie erleben können.
Hier saß alles beisammen, ob Zuschauer oder Wettkämpfer. Man stand in der Schlange an der Erbsensuppe und es regte sich niemand auf. Ossis halt. Fand ich als alter Ossi auch mal wieder schön :-)




Noch nen Apfelkuchen und nen Kaffee in den hungrigen Bauch und ich verabschiedete mich von Michael und trat die Heimreise an. Wie immer mit der Medaille um den Hals. Sieht doof aus im Auto, ist aber Cool :-))



Die Inschrift auf selbiger bestätigte es schließlich: Norddeutschlands schwerster Marathon. Und das war er mit Sicherheit. Noch nie habe ich so gekämpft auf der 1. Hälfte und so gelitten in der 2.
Das Höhenprofil spricht schließlich Bände und die 1243 gelaufen Höhenmeter besiegeln das.
Alle Details findet ihr wie immer beim Klick hier:-)
Alles in allem bin ich sehr zufrieden und habe mein Ziel erreicht.

Was bleibt ist der letzte Marathon in diesem Jahr am 1. Advent am Twistesee und den werde ich nun ganz wirklich ohne Ziel angehen. Oder? Na ja, vielleicht ...


Euch danke ich von ganzem Herzen für das Lesen meines Blog, eure Unterstützung in der Vorbereitung, eure lieben Kommentare, euer Mitfiebern und hoffe, das ihr mir und meinem Blog treu bleibt.

Bleibt gesund und vor allem dabei, denn wer sich bewegt, bewegt was!

Mit sportlichen Grüßen

Euer Gnü aus Zü

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