65 Kilometer stehen in der Ausschreibung. Verbunden mit 1700 zu überwindenden Höhenmetern.
Der Main Tal Ultra Trail sollte mein diesjähriges Hebsthighlight werden, welches mir aber, wie bekannt, von einem "netten" Autofahrer nicht gegönnt werden sollte und ich stattdessen mit 2 Krankenhaustagen und 2 reduzierten Trainingswochen einfach nur ans ankommen dachte. In Wirklichkeit hatte ich mir doch im geheimen ganz gute Chancen auf eine vordere Platzierung ausgemalt. Das Training bis zum Unfall verlief sehr gut; ich war verletzungsfrei, konnte in ersten Wettkämpfen die Form unter Beweis stellen und musst nun, nach der Leistungsdiagnose beim Kasse-Marathon letzten Sonntag eigestehen, dass das ein Harter Kampf werden wird und mit den paar Kilometern n den Beinen nicht zu den Bestzeiten zählen werden wird.
Außerdem bin ich so, dass wenn ich gemeldet bin, es keinen Grund gibt, außer vielleicht ein äußerst gewichtiger Grund, wie der Verlust eines Beines , von der Teilnahme eins Laufes abhalten kann und bezahlt war schließlich auch.
So kam ich am Freitag Abend, nach einem Mega Autofahrevent in Veitshöchheim an, fuhr auf den Parkplatz des örtlichen Sportlerheims und entdeckte promt das erste bekannte Gesicht.
Andreas, einer der Organisatoren der Brocken-Challange, mit dem ich bereits 2015 beim Bilstein-Ultra und beim Brocken-Marathon zusammengetroffen bin, parkte bereits auch hier und bereitet sich, wie ich, auf die Übernachtung vor. Er wartete noch auf einen Freund, namens Harald, und gemeinsam wurde die Zeit und den Erzählungen bis zum Eintreffen von Harald recht kurzweilig. Schließlich kennen wir beide ein paar Läufer und Läufe ...
Sie entscheiden sich allerdings abseits der Straße parken zu wollen, während ich den Platz beibehielt und mich auf den Weg zur kleinen PPP (Privaten Patsta Party) in unmittelbarer Nachbarschaft machte. Kleines Gläschen Wien, zur Feier des zurückliegenden Tages und zum müde werden und nach verdrücken der überbackenen Nudeln verkroch ich mich in meinen Schlaf-Shuttle
Natürlich noch die Vorbereitung des morgendlichen Müslis und dann hieß es: "Gute Nacht, Welt"
Kaum zu glauben, aber wir waren 5, soweit ich gezählt habe, die den Schlafplatz im Auto gewählt haben. Na, wenn man die Menge an Wettkämpfen zusammenzählt und jedes Mal ein Hotel nehmen will ...
5:45 Uhr. Dick in die Decke gehuschelt wurde ich doch tatsächlich vom Wecker geweckt. Fest geschlafen hatte ich und ich schlüpfte in die Wettkampfmontour, verschnabbulierte mein Müsli und hoffte vorm Briefing irgendwo noch einen Kaffee zu ergattern. Das blieb mir allerdings verwehrt und so musste ich ohne in die morgendliche Kälte an den Start.
Hier gab es auch wieder ein paar schöne Begegnungen mit Menschen, die ich bisher nur aus der virtuellen Welt kannte.
mit Chris von G+ |
mit Rainer von FB |
Schön, wenn man sich in der realen Welt trifft
Dann ging es relativ unspektakulär los und es erfolgte ein Startschuss, den ich nur durch das Loslaufen einiger am Start stehender bemerkte
Runter vom Sportplatz, links rum und die Ersten waren schon nicht mehr zu sehen
Das kann ja heiter werden und ob ich die wiedersehe?
Ziemlich weit vorn im Starterfeld, Pos 6-8 denke ich, trabte ich mit 5:00/km los und wollte erst einmal Meter gut machen, im Wissen, dass das Rennen nicht einfach werden wird. Aber dass das so schwer würde, das hätte ich nicht gedacht ...
Die Strecke verlief fast ausschließlich im Wald und auf Trails, und das Versprechen des Veranstalters: " Hier steht Trail drauf ... hier ist Trail drin", behielt bis auf gaaaaanz wenige Ausnahmen bis zum Ziel Recht.
Bereits nach 10 km verließ ich kurz die Spur, um von hinten herannahende vorbei zu lassen, in dem Hoffen, sie wieder zu treffen. Dem geschah so, wenn auch noch 40 km dafür vergehen mussten.
Dafür genoss ich die Strecke: was tolle Trails. Nicht ganz so Wurzelbetont, wie der SachsenTrail, was auch ganz gut war, da es ansonsten schon anstrengend genug war.
Oben, auf den Höhen, liefen wir bereits in strahlendem Sonnenschein, unten im Maintal hing der Nebel fest und versperrte uns so den Blick auf ihn
Dafür war das Laufen entlang der Weinhänge traumhaft und ich musste, wie selbstverständlich, das Handy für den einen oder anderen Schnappschuss zücken.
So wundervoll und ich musste ganz oft an meine Liebe denken. Schließlich ist sie Winzerin und hier begann auch ein bisschen die Geschichte unserer Familie: hierher zogen wir, als ich dem Land dienen sollte, hier schlossen wir den Bund der Ehe, vor nunmehr 21 Jahren, hier zogen wir weg, mit dem Wissen Eltern zu werden
Ja, so ein Ultra holt tief versteckte Erinnerungen hervor. Man hat ja schließlich verdammt viel Zeit
Dumm ist nur, wenn man sich in der Träumerei verliert, nicht auf dem Weg achtet und erst beim Aufprall auf den weichen Waldboden daran erinnert wird, was man hier tut
Plumps, da lag der Herr Gnü bei km 20 auf der Nase. Fluchen, aufwachen, hochkrabbeln, abbutze, schütteln und weiter ...
Ganz blöd, wenn man sich dabei den für weiter 45 km notwendigen Fuß lädiert . Das bemerkte ich allerdings erst vieeeel später .
Kurz darauf erreichte ich den ersten VP und diese waren wirklich richtig gut und lassen nichts zu wünschen übrig. Auch die Hektik, die ich in Kassel noch erlebe musste, kam hier einfach nicht auf. Man bedient sich ruhig und gesittet am stillen Wasser (leider doch mit Sprudel), Apfelschorle, ISO, Käsewürfel, Wurststückchen, Erdnüssen, Gummibärchen, Wassermelone und Apfelecken und bereitgestellten Gelen, wer mag. Freundlich, wie alle der Betreuer, wurde sogar das auffüllen der vorgeschriebenen Trinkblase angeboten. Echt super Orga!!!
Wer Weinberge kennt, kann sicher auch die Steilheit einschätzen, die so ein Weinhang hat. Die Weingüter in Franken sind überwiegend in Privatbesitz und so mit Zäunen abgesichert.
Man läuft also unten am Zaun entlang, meist ist ein Türchen geöffnet und läuft dann entlang des Weingutes bergauf.
Das zehrt und man (ich wenigstens) fällt automatisch in Schritt.
Ablenkung erfährt man durch die Beschilderung am Weg und wie viele Kilometer man noch vor sich hat.
Ach, das geht ja
Weitere Ablenkung erfährt man durch die anstehende Weinlese. Die ist im vollsten Gange und an vielen Hängen werden bereits fleißig die bereitgestellten Wagen befüllt.
Wir laufen immer weiter, kaum Zeit es mehr zu genießen.
Entlang des fränkischen Marienweges (sollte man sich mal merken)geht es stetig dem Ziel entgegen und wird einfach nicht einfacher
Wenn das kein Fingerzeig ist?! Treppenmarthon 2016 ist in Erinnerung
Der Unterschied, den ich in Franken zu Hessen ausmachte, bestand darin, dass in Hessen die Weinsorte aus der Flasche kommt und hier in der Rebzeile
Hihi. Ein bisschen bekloppt darf man schon sein?! "Müller-Thurgau"; "Silvaner" und "Riesling" werden hier also angebaut und unsere Gaumen erfreuen und ich denke wieder zurück, als wir hier lebten und zu dieser Zeit oft Federweiser und Zwiebelkuchen genossen.
Es wurde allerdings immer schwerer, den Fuß zu heben und ich musste bei km 45 eine neue Strategie anwenden: "lgl". Laufen, gehen, laufen. Ich gestehe: ich war am Ende. Mir tat der Fuß weh vom Sturz. Hinzu kam, dass ich mir etwas in die Socke eingelaufen hatte, was mir eine Blase bescherte, die ich allerdings erst beim ausziehen der Socken am Ziel erkannte und was viel kritischer war: krafttechnisch. Ich merkte förmlich, wie ich kaum noch Kraft hatte, die Füße zu heben oder die Arme. Kurz vorm VP bei km 50 entstand dieses Bild, was den Zustand ganz gut ausdrückt, denke ich.
Hr. Gnü am Ende |
Also weiter ...
lgl
Immer so und irgendwann hatte ich mich wie in Trance gelaufen und lief und ging und lief.
Einer der Streckenposten klatschte mir beim passieren zu und meinte Platz 12. Wat? das wäre ja super. Also einfach nur noch weiter. Blick zurück und niemand zu sehen ...
Bei km 50 sollt eigentlich der letzte VP sein. Und doch kam noch einer. Prima. zum letzten Mal was in den Hals schieben. Kraft tanken. Haselnüsse, Melone und Gummibären. 2 Becher Cola und los. Die Anerkennung der Leute mitgenommen und weiter ...
Und doch hat's einer geschafft und ist auf mich aufgelaufen. Noch 10 km meinte er. Sub 7 Stunden. Da müssten wir noch ganz schön beißen. Das schaffen wir, sagte ich und ich glaube, es war unser beider Glück, dass wir uns hatten.
Noch 5 km und nur noch 45 Minuten, um diesen Strohhalm zu erreichen. Noch 3 km und 25 Minuten. Plötzlich war Tobias weg und ich auf den letzten Kilometern allein.
Beißen, Schmerz ignorieren, Kopf hoch ...
Die letzten Kilometer können so grausam sein. Dir geht alles noch mal durch den Kopf: die VP's, von denen man welche hätte schneller passieren können, der Sturz, den du verfluchst, die netten Menschen bei der Weinlese, die super lieben Streckenposten, die in der morgendlichen Frische an der Strecke stehen für so ein paar Verrückte den Verkehr regeln und uns warnen. Der kurze Verläufer, da die Ausschilderung an der Stelle sehr dürftig war und mich 2-3 Minuten kosteten. Ich denke an Radim, der mich bei km 50 am VP überholt hatte, an Andreas und Harald und wo sie jetzt sein mögen, an Rainer und Chris, wie es ihnen geht und höre bereits die Ankündigung von Tobias vom Stadionsprecher.
Es reist mich aus den Gedanken. Ich richte mich innerlich auf, bringe die Klamotten in Ordnung und postiere die Startnummer vorn.
Ich werde angekündigt, laufe durch den Zielbogen, ziehe noch ein freundliches Gesicht für die Fotografin und kann endlich Stopp an der Suunto drücken.
6:58 Stunden. Danke Tobias, dass du mich dahin wenigstens gebracht hast.
Fertig und doch zufrieden lies ich mich auf die Wiese fallen, neben Radim und kam mit ihm ins Gespräch. Wie, als wollten die Veranstalter nochmals auf die super Orga aufmerksam machen, wurde uns sogar ein alkoholfreies Weizen zu unserm Lager gebracht. Super nett.
Ich habe es schafft. Nicht ganz so ohne Blessuren, wie ich das eigentlich gewünscht hätte, und doch ok, machte ich mich auf zum frisch machen und trat kurz darauf den Heimweg an, schließlich möchte mich die Familie auch mal wieder sehen
Wer mag, darf natürlich wieder gern auf's Bild für alle Details klicken :-))
Nachtrag:
Mit Platz 13 gesamt und Platz 3 in meiner AK (45) bin ich natürlich seeehr zufrieden.
Somit ist mein eigentliches Highlight abgelaufen und ich werde erst einmal eine Laufpause einlegen. Versprochen.
Euch allen Danke ich natürlich von ganzem Herzen für's lesen meines Blog, freue mich, wenn ihr wieder kommt und bin immer noch überzeugt:
Wer sich bewegt, bewegt was!"
Ich verbleibe mit sportlichen Grüßen
Euer Gnü aus Zü
Ach herrje... Erst mal Gratulation zum Finish! Und das nach erzwungener Trainingspause und mit lädiertem Fuß. Ganz große klasse, Peter! Kurier den jetzt erst mal gut aus. Habt ihr euch beide verdient - und das nächste große Event ist sicherlich in Planung, so wie ich Deine Füße und Beine und Dich kenne? ;-)
AntwortenLöschenOh ha, erwischt 😀
AntwortenLöschen23.10. Dresden Marathon und am 30.10. Saarschleife Ultra, wenn die Beinchen wieder fit sind.
Danke und bleib gesund
LG
Peter
Oh ha, erwischt 😀
AntwortenLöschen23.10. Dresden Marathon und am 30.10. Saarschleife Ultra, wenn die Beinchen wieder fit sind.
Danke und bleib gesund
LG
Peter