Montag, 30. Mai 2016

Zwischen Himmel und Ho(e)lle ...

so ähnlich habe ich mich am Sonnabend gefühlt.
Oder Himmel hoch jauchzt, zu Tode betrübt.
Es trifft beides.

Vor 5 Wochen lief ich meinen ersten 24-Stunden-Lauf auf das Dach der Welt, beim Sächsischen Mount Everest und war hier sprichwörtlich im 7. Himmel über die erbrachte Leistung. Mit 111 Runden bei diesem spektakulären Event schien mir ein Zeichen gesetzt, denn nur wenige Tage später war ich für 111 km beim Bödefelder Hollenlauf gemeldet. Die Welt ist rund :-)

Immer wieder musste ich feststellen, das einige "Höllenlauf" lasen. Und auch wenn ich nicht da gelandet bin, schien es doch zwischendurch durch selbige zu gehen.


das Höhenprofil sagt alles :-(
Starten wir den Rückblick aber von vorn.
Start 6:00 Uhr am 28.05. ließen mich Tage vorher bereits ins Grübeln fallen:
Mitten in der Nacht losfahren?
Hotel buchen?

Was wie tun?

Donnerstag eine neue Idee geboren: Space Shuttle ist doch groß genug. Warum nicht im Auto schlafen?
Gesagt, getan und Schlafstätte hergerichtet.



Nachdem dies also geklärt war, die schon fast traditionelle "PetersPastaParty" stattgefunden hatte, machte ich mich 21:30 Uhr auf den Weg ins Sauerland.
Fast 2 h Fahrt für nur 100 km. Das könnte man fast laufen, dachte ich noch voller Euphorie :-)
Die Erkenntnis sollte am Sonnabend noch kommen, was 100 km bedeuten.

Auf dem Parkplatz angekommen, in die Nachtwäsche, Katzenwäsche und ab in die Heija. Panoramadach auf und Sterne gucken :-)
Geht ganz gut und wird sicher mal wiederholt. Ist auf jeden Fall eine günstige Alternative zum Hotel.

4:30 Uhr klingelt das Handy. Ich war also tatsächlich eingeschlafen. Kurzes frischmachen, Müsli reingeschaufelt (hat allerdings nicht geschmeckt, vor Aufregung) und ab zum Unterlagenempfang.
Auf dem Mutter-Theresa-Platz herrschte bereits reges treiben.
Es wurde geschleppt, sortiert, gemeldet, eingetragen. Das übliche wuseln bei solchen Veranstaltungen.
Was allerdings noch neu ist, ist das reichhaltige Frühstücksbuffet. Inklusive versteht sich. Für 45 €. Krass, wie ich finde.
Die Damen waren sehr lieb und versuchten wirklich alle schnellstens mit frischem Kaffee zu bedienen, den ich dankbar annahm.

Der Bürgersaal von Bödefeld füllte sich und doch blieb es gesittet und ruhig.
5:45 Uhr machte ich mich auf in den Startbereich, denn es sollte die Streckeninfo stattfinden.



Ich fand das Starterfeld recht überschaubar, wenn man bedenkt, das gleich die Wanderer über 14, 21, 42 und 55 km sowie die Läufer über 42, 75 und 111 km starten sollten. Die 101-km-Wanderer waren bereits seit 19:00 Uhr unterwegs.



Die Streckenmarkierung wurde angesprochen und das eigentlich selbstverständliche Verhalten im Wald und Natur. Aber auch hier muss ich berichten: es gibt halt immer welche, die ihren Mist bei einem Landschaftslauf im Wald entsorgen :-(

6:00 Uhr erfolgte endlich der Startschuss und wir setzten uns, auf den ersten 1,5 km geführt von einem Auto, in Bewegung.
Wie immer standen die langsameren vorn, nur dass es mich dieses Mal gar nicht störte, eher amüsierte. Hatten wir doch reichlich Zeit. Na gut. Reichlich ist übertrieben, denn dies war mein erster Lauf mit Cut off. Wir mussten spätestens 12:30 Uhr den VP "Kühhude" bei km 49 passiert haben. OK. Wo ist Kühhude? 50 km in knapp 6:30 Stunden? Sollte doch zu schaffen sein!
Jo. Eben doch nicht für alle :-(

Die Veranstalter hatten nach Ausfall des Laufes im Vorjahr einen neuen Streckenverantwortlichen, der die Strecke gleich mal neu plante und um mal eben 10 km verlängerte . Was sind schon 10 km? Nur 10% bei 100 km. Ja. Heißt aber auch mindestens 60 Minuten länger laufen. Das sollte ich auch noch erfahren, was das heißt.

Ziemlich schnell setzten sich mit mir 3 Läufer an die Spitze des Feldes und als der 1. Anstieg erreicht war, waren die nachfolgenden Läufe nicht mehr zu sehen. Das sollte dann auch fast bis zum Wendepunkt am Rhein-Weser-Tum so bleiben.

Rhein-Weser-Turm. Das klingt so vertraut. Neuastenberg. Lenneplätze, Langewiese, Schmallenberg. Alles mein tägliches Vertriebsrevier.
Oft fahre ich von Züschen (Winterberg) hinauf nach Mollseifen. Kreuze die Hoheley und habe mich seit Wochen darauf gefreut, diese Ecken zu Fuß zu erlaufen.
Oft (eigentlich immer, wenn ich nach Lennestadt fahre) komme ich über den Berg zum Albrechtsplatz und fahre hinunter ins Lennetal. Gleich dahinter kommt ein Parkplatz und ich nutze den Sonnenaufgang für ein Päuschen und den wundervollen Blick ins Tal, hinunter nach Oberkirchen.

All das ging mir durch den Kopf und ich freute mich sehr. Doch ganz so einfach, wie das Fahren mit dem Auto war das heute eben nicht.
Das Hochsauerland mit seinen langen Tälern und hohe bewaldeten Bergen galt es zu erlaufen. Landschaftlich ein Traum. Läuferisch ein Alptraum. Kaum hatte man einen Anstieg geschafft, folgte ein Downhill, um gleich wieder mit einem Anstieg aufzuwarten.
Läufer Nr. 1 war bereits außer Sichtweite und zu dritt liefen wir auf den VP 1 bei Paul´s Fischteichen bei km8 ein.
Läufer Nr 2 (der Holländer) war vor mir da und machte sich kurz nach meinem Eintreffen wieder auf den Weg.
Läufer Nr. 3 (Maximilian) kam kurz nach mir und hatte wohl einige Probleme mit der Brille. Ich Probleme mit dem Magen. Trotz Toilette drückte es, ich hatte aber keine Lust meine Position aufzugeben und lief weiter.



Der Blick, der sich teilweise bot, war einfach traumhaft und ich konnte nicht widerstehen, das Handy zu zücken.

Es folgte der VP 2 "Zur Wahr" bei km 14 und wir querten wieder Bödefeld. Wieder raus aus dem Dörfchen und wieder bergauf.

Hier kam dann auch gleich das richtige erste harte Brett hinauf zur Kreuzwegkapelle auf dem Kreuzberg.

Der "Holländer" vor mir.



Maximilian hinter mir.
Oben angekommen drehten wir die Reihenfolge um und ich lief hinter ihnen her. Soviel Zeit muss aber auch sein :-)





VP 3 "Nasse Wiese" bei km 19  wieder Elektrolyt und Banane und weiter.

Nach 2:12 hatten wir den Turmberg erklommen und konnten es erst einmal laufen lassen, natürlich nicht ohne Foto.


auf ca 750 Meter ü NN
Ab jetzt ging es bergab und ich konnte den Holländer und Maximilian hinter mir lassen.
Am VP 4 "Obersorpe" angekommen teilte man mir mit ich sei auf Platz 1 der 111km-Läufer. Freude kam auf, wusste ich nun, dass der am Anfang ausgerissene auf der 75km-Strecke unterwegs ist.
Juhu. SMS an die Liebste und weiter zu VP 5 "Lenneplätze" bei km 39. Alles im Plan und läuft.
Heiß war es. Ich schwitzte aus allen Poren. Die Hose triefte, die Unterhose klebte am Hintern, das Trikot war schon im Rucksack verschwunden und ich war heilfroh, dass ich ohne die Ärmlinge los gelaufen bin.

Dann kam der Tiefschlag.
Da meine Nase immer läuft (hihi, welch Wortspiel) puste ich immer zur Seite weg. Finden viele ekelich,  ist aber immer noch schneller, als immer nach einem Taschentuch zu greifen. Dumm nur, wenn bei km 40 Blut mit kommt. 
Machte mich gerade nicht wirklich glücklich, eher nachdenklich. Was tun? Wo kommt es her? Ursachenforschung. Zu doll? Wie fühlst du dich?
Jetzt irgendwie beschissen.
Ich fange an die Hitze zu realisieren. Die Schwüle. Wieder nicht gepinkelt seit einer Ewigkeit. Stehenbleiben, was rausdrücken. Auch keine Besserung. Hände geschwollen. Klebrig. Ich würde gern ne Abkühlung haben! Gibt es nicht.

Maximilian hat bereits überholt. Der "Holländer" ward schon lange nicht mehr gesehen. Dafür läuft ein neuer Man zu mir auf. Nimmt mich mit. Ich berichte von meiner Nase. Nimm den Druck raus sagt er. Ich versuche dran zu bleiben.
Er hat nen lässigen Laufstil. Kurze Tippelschritte. Kaum vom Boden hoch. Ich gehe mit. Kann es nicht halten. Lasse ihn ziehen. Was ein Mist.
Kühhude noch 9 km. Cut off oder Abbruch und verkürzen?
Über die Zwischenzeitmatte gestolpert und den Eingang zum VP gesucht. Elektrolyt und Wasser, Käsebrot, Banane, weiter.

Du bist irre. Nee, total bescheuert. Setze alles auf Rot, wie meine Nase. Entweder es geht weg, oder ich muss beim nächsten VP aufgeben.
VP 7 "Jagdhaus" bei km 58. Noch ca. 10 km bis zum Wendepunkt am Rhein-Weser-Turm.
Peter du bist bescheuert.
Ich überhole ein paar Wanderer. Einige klatschen Beifall, Anerkennung, Trost, Ansporn weiter zu machen. Und ich mache weiter.
Finde einen eiskalten Bach von rechts den Berg runterlaufen. Stopp, rechts ran, Kopf drunter. Hände abkühlen. Gesicht waschen. Und noch mal den Kopf drunter. 2 Minuten später ist das Nasenbluten weg. Wieder frisch im Kopf. 
VP 8 "Rhein-Weser-Turm" bei km 67 erreicht. Es geht besser. Wieder auf den Läufer mit dem coolen Gang aufgelaufen.
Ich mach ne längere Pause. Schütte 4 Becher Elektrolyt runter. 2 x Wasser hinter her. Eine Handvoll Rosinen und eine Banane dazu.
Die Beine sind schwer. Wollen nicht mehr.
Sagt der Kollege am VP: "nur noch einen knappen Marathon!"
Das beflügelt. 
Nur noch einen Marathon.
Es geht nicht mehr aus dem Kopf.
Nur noch einen Marathon.
Unter normalen Umständen hätte ich jetzt gesagt in 3:30 hast du es geschafft. Doch der Blick auf die Uhr machte mir klar, was hier läuft. Hier läuft gar nichts mehr :-(
Ich hatte bis km 70 7:20 Stunden benötigt. Meiner lieben Frau sagte ich so gegen 16-17 Uhr werde ich im Ziel sein. Shit. Was eine Falscheinschätzung der Distanz, der Höhenmeter, des Machbaren.

Handy raus. Foto:



Ich gestehe: das Bild lässt auf einen besseren Zustand vermuten, als es in der Tat war.
"Schatz, nur noch ein Marathon" gesendet und in die üblichen Netzwerke, wusste ich doch, das viele Freunde mit mir waren.
Weiter.
Zurück zu VP am "Jagdhaus". Hier eine nette Unterhaltung mit Gerd Eden geführt und weiter. Ich wollte und musste ins Ziel.

Die Hitze war inzwischen unerträglich und entlud sich nach 8:50 kurz vorm VP "Kühhude" in heftigem Regen. Endlich. Erfrischung. Wie ich es liebe. Wie ich es liebe, wenn die Tropfen auf das volle Haar (Hihi) platschen und den Rücken runter laufen.
Das ist meine Zeit. Das ist das, was ich anderen zum Vorteil habe. Während die meisten dann demotiviert langsamer werden, drehe ich auf.
An der Kühhude hatte ich Andreas eingeholt. Wir quatschten kurz übers Wetter und ich berichtete vom Regen in der Nacht auf der Treppe.
Holla die Waldfee. Er ist auch da gelaufen. 2012 und 2013. Ha, und schon hatten sich 2 gefunden.
Er verließ den VP kurz vor mir und ich holte ihn bald wieder ein.

Er konnte auch nicht mehr. Probleme beim bergab und auf der Strecke ließen ihn immer langsamer werden. Gemeinsam zogen wir uns weiter. Auf der Geraden lief ich vor, am Berg holte er mich wieder ein. Bis nach Langenwiese ging das so. 
Im Lennetal zog ein Gewitter neben uns auf und wir hofften inständig, dass der Lauf nicht abgebrochen werden müsse, jetzt, wo man soweit gekommen ist. Noch 27km.
Andreas fiel zurück. Ich lief wieder etwas besser. Konnte wieder längere Abschnitte laufend bewältigen. Musste an Dean Karnazes denken: "Wenn du kannst, laufe. Wenn du nicht laufen kannst gehe. Wenn du nicht mehr gehen kannst, krieche bis es wieder läuft". Ich ging, bin zum Glück nicht ins kriechen verfallen.
Das Gewitter zog ab und übrig blieb "nur" ein Sintflutartiger Regen.
Die Waldwege verwandelten sich in kleine Bäche, auf denen es zunehmender schwieriger wurde trocken Fußes zu bleibe.
Also Augen zu und durch. Schließlich hatte ich den 2. Platz fest im Blick und würde ihn nicht abgeben wollen.
VP "Lenneplätze". Andreas und ich laufen gemeinsam ein. Fröhliche Menschen empfangen uns. Ob es denn nicht regnet, wir seien so trocken. 
Man muss nur schnell genug laufen, dann trocknet es schnell wieder ab. :-)
Wieder Elektrolyt, Wasser, Banane und Rosinen: ich kann den Süßkram nicht mehr ab. Ich will ne Wurschd, woll, wie der Sauerländer zu sagen pflegt.
Genug gelacht und über die Erschöpfung hinweggetäuscht. Nichts anmerken lassen. Bemitleiden können wir uns wieder, wenn wir alleine sind.

Lenneplätze raus und über den Asphalt. Ich mal vorn, mal hinter, mal neben Andreas.
Letzter VP "Nasse Wiese". Jupp. Auch was Wahres dran. Nass von oben und unten. Wieder liebe Helfer, die uns mit lockeren Sprüchen aufmuntern. Hier endlich mal was anderes zu trinken: Malzbier. Pflup und weg.

Ich auch. Hier nicht mehr auf Andreas gewartet. Die letzte 7 km laufen. Ins Ziel kommen. Nur noch bergab. Und wer es kennt, weiß, was 7 km nach 100 km berablaufen bedeuten.
Das sind Schmerzen, die man nicht haben will. Die braucht keiner wirklich. Die Oberschenkel schreien "Aufhören". Die Zehen fühlen sich an, als sei jede einzelne mindesten 3 x gebrochen und mit ästhetischem Laufen hat das schon lange nichts mehr zu tun. So fühlt es sich wenigstens an. Das Anerkennenden Schulterklopfen der überholten Wanderer sagt was anderes. Wenn ihr wüsstet ...

Dann. Endlich Parkplatz in Sicht. Vorbei am Space Shuttle mit der weichen Luftmatratze und der kuscheligen Bettdecke. Stehen bleiben, hinlegen, schlafen.
Mist. Schlüssel ist in der Tasche im Bürgerhaus. Doch wäre Stehenbleiben jetzt die richtige Entscheidung? Sicherlich nicht.
Nicht bei km 109,5.
Nicht nach dem Nasenbluten.
Nicht nach der quälenden Hitze.
Nicht nach den dicken Regentropfen.
Nicht nach den dicken Tränen die unterwegs geflossen sind und der Frage, woher man die Kraft nehmen kann. Ich blieb mir die Antwort auf die Frage schuldig. Nur Dank. Dankbarkeit, dass mir jemand die Kraft gegeben hat, es durchzuhalten. Wieder an eine neue Grenze gegangen zu sein, ohne darüber hinweg.
Ich bin nicht frisch, aber fit genug, um laufen zu können. Ich gehe aufrecht, bin gesund. Habe mein Ziel fast erreicht. 
111 Runden auf der Treppe in Radebeul
111 km am Donnerstag mit dem Rad (70,5 mit meiner Frau und 40,5 allein)
111 km in wenigen Minuten.
Die Welt ist rund und mir gehen die Worte aus dem verteilten Flyer durch den Kopf:

"Laufen ist eines der Dinge, die ein Kind tun möchte und eines der Dinge, die man am schwersten aufgeben will.
Laufen ist eine Bewegung die keine Turnhalle braucht.
Es ist ein medizinisches Rezept ohne Medikament, es ist eine Gewichtskontrolle ohne Diät und eine Kosmetik, die man nicht chemisch beschreiben kann.
...
Laufen ist so natürlich wie Atmen."
(aus "The Magic of Walking" von Aaron Sussman und Ruth Goode, 1967)

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen und ich laufe die letzten 1200 Meter in Richtung Ziel.
In Bödefeld rein und links auf die Hauptstraße.
Dann Verwirrung. Keiner der einem den Weg deutet. Die ganze Zeit den Pfeilen gefolgt. Jetzt auch? Oder direkter Weg zum Mutter-Theresa-Platz, unserem Startpunkt vor inzwischen fast 12 Stunden.
Noch mal rechts. Die Wiese runten. Bin ich falsch. Hier ist´s so leer. Wieder ein Stück zurück. Wanderer kommen mir entgegen. Nein, du bist richtig. Wieder umdrehen und weiter auf der nassen Wiese. Links halten. Dann endlich eine Art Zieleinlauf. Hinter dem Platz. Noch mal links und dann werde ich vom Sprecher angekündigt.

"Der 2. Platzierte Mann über 111 km kommt nach 11:56 Stunden ins Ziel. Peter Gnüchtel vom DUV/Züschen hat es geschafft. Herzlichen Glückwunsch!"

Ich kann es kaum fassen. Mir wird die Medaille um den nassen Hals gehangen. Dünner Applaus der wenigen verbliebenen Zuschauer.
Die Masse ist durch. Jetzt kommen die letzten ins Ziel und leider wie so oft muss ich feststellen, dass die meisten Menschen es einfach nicht greifen können, was man hier geleistet hat. Zu weit weg ist es den meisten, es zu verstehen, wie man 111 km zu Fuß laufend zurück legen kann.
Marathon ok. Wandern auch. Aber 75 km Wandern, 101 km Wandern, durch die Nacht unter 24 Stunden einige.

111 km Laufen unter 12:00 Stunden. Unfassbar.

Ich wollte doch bereits von 2 Stunden im Ziel sein. Unmöglich bei 2400 Höhenmetern. Schell Handy raus, der Liebsten die Angst nehmen. Hatte sie bereits gefragt, ob alles IO sei. Jetzt ja. Ich bin im Ziel. Habe es geschafft, bin gesund und einigermaßen Fit.

Etwas verdutzt muss ich schon ausgesehen habe, auf Grund der wenigen Menschen. Ich fragte, ob es denn kein Ziel-Alkfreies-Weizen gäbe. Der Streckenplaner fand das irgendwie lustig und gab mir eines aus. Vielen Dank dafür und die netten Erklärung zur Streckenänderung und eurem Engagement für dieses Event.
Toll organisiert, super viele nette Meschen auf und an der Strecke, liebe Worte der vielen Helfer und Helferinnen :-)

Leider gab es keine Siegerehrung so mit Podest und so und so mit Pokal :-(
Sehr schade, wenn man schon mal auf Platz 2 gelaufen ist.



Andreas Geyer [3], Maximilian Hunold [1], Peter [2] (v.r.n.l.)
Nur kurze Zeit später traf auch bereits die erste Frau ein und kam natürlich auch noch mit aufs Foto:


Simone Durry
Nachdem wir also genug Fotos gemacht hatten wurde es Zeit für ne heiße Dusche und die tat mehr als gut.
Die Lebensgeister kehrten zurück. Die Schrumpelfüße hatten keine Blasen, nichts war wundgescheuert. Keine Blessuren zu verzeichnen. Einzig müde und zufrieden.



Na wenigstens auf der Urkunde hätte die Platzierung stehen können :-(
Ich verleibte mir noch die heiß ersehnte Bratwurst ein und machte mich auf de Heimweg. 2 Stunden werden auch nicht kürzer.



Wer möchte, findet beim Klick aufs Bild alles was er nie wissen wollte :-)))



Was bleibt ist die Feststellung:
Wer sich bewegt, bewegt was!

Alle meine Ziele gingen in diesem Jahr in Erfüllung.
Treppenmarathon, Hollenlauf, Nordhessencup-Serie und als nächstes das Velothon in Berlin in 3 Wochen.
Das alles mit viel Fleiß, Disziplin und einer Frau, die hinter mir steht. Das alles nicht toll findet, das nicht alles verstehen kann und Angst hat.
Ich bringe mich nicht um. Ich weiß, wann ich aufhören muss und gebe auf mich Acht. Auf die Frage, was als nächstes kommt habe ich allerdings noch keine Antwort.
Vielleicht ...

Nee, später.
Jetzt wird erst einmal eine paar Tage pausiert und sich aufs Rennrad konzentriert. Wobei ...
Es regnet gerade wieder :-)))

Vielen Dank fürs Lesen meines Blog, eure lieben Kommentare, dass ihr mir folgt und mit mir mitfiebert.

Ich verbleibe mit sportlichen Grüßen
Euer Gnü aus Zü

Montag, 23. Mai 2016

kurz vorm Ziel ...

wenn auch nur Etappenziel.

Die letzte Woche ist angebrochen und die Tage bis zum nächsten großen Etappenziel sind gezählt.
Es sind noch 4 Tage und, um ehrlich zu sein, macht mir die Vorstellung 111 km vor der Brust bzw. unter den Laufschuhen zu haben, doch etwas Angst.
Wobei Respekt es eher treffen sollte. Denn Angst darf man nicht haben, Respekt sehr wohl.

http://www.hollenlauf.de/l111x.html Höhenprfil :-(
Einen kleinen Vorgeschmack auf Sonnabend konnte ich bei meinem letzen langen Lauf am Sonntag bekommen, als ich mir am PC eine Runde durch den Kellerwald zusammengestrickt habe.
50-60 km sollten es sein, mit ein paar Höhenmetern und nach dem sonntäglichen Spaziergang mit der Liebsten und einem völlig unerwarteten Treffen sollte es losgehen.

Wir fahren also an unseren geliebten Edersee, denn am vergangenen Wochenende verweilten wir ja in der Ferne in Potsdam, um mit Freunden aus der Community unser jährliches Treffen der Running/Laufen-Com bei G+ abzuhalten.
Es wurde inzwischen ausreichend berichtet, sodass ich gern auf die Beiträge von +Clao Wue  "Vortag" und "Lauf" sowie von +Jürgen Weinreich  "Com-Lauf" verweisen möchte.
Schön war´s, auch wenn das Wetter am Lauftag echter Mist war. Aber wenigstens sind die Läufer einigermaßen trocken geblieben, auch wenn uns fast die Finger am Lenker fest froren :-(

zum Glück gab es Treppen :-)

und ab und zu trockene Momente :-)
Wie immer gab es zum Abschied Tränen und feste Vereinbarung zu einem Wiedersehen in 2017. Dann an der Nordsee :-))

Zurück zum Edersee.
Wie immer parkten wir den kleinen Flitzer am Wildpark, denn ich wollte ja Heim laufen und so fährt die Chefin, und machten uns auf unsere Standardrunde.

Wir laufen hinunter in Richtung Sperrmauer, lassen am Schlagbaum ein paar Radfahrern den Vortritt und plötzlich ist unter ihnen mein Treppenfreund Ingmar :-)
Die Gesichter könnt ihr euch sicherlich vorstellen :-))))

Wir staunten nicht schlecht, ist es doch nun schon wieder über 4 Wochen her, das wir gemeinsam den Sächsischen Mt. Everest bestiegen.

Treppenfreunde :-)
Ein Zwischenstopp nach dem Rennsteig und Beine lockern trieben ihn hierher und ich bot ihm gern an, dass wir auch mal gemeinsam eine Runde um den See laufen können. Gern noch Mals ausgesprochen, hiermit :-)

Natürlich gab es auf dem Rest des Weges kaum noch ein anderes Thema, als die Begegnung mit Ingmar. Schließlich ist dieses Erlebnis Treppe so ein einschneidendes, dass kann sicher nur der nachvollziehen, der es selbst mitgemacht hat. Und wie Ingmar berichtete, gab es ein kleines "Klassentreffen" am Rennsteig mit Iwi, Frank und anderen Treppenfinishern :-)

Nach dem Kaffee- und Kuchen-Ritual in der Strandoase am Rehbach war der Weg bis zum Flitzer schnell zurückgelegt und ich konnte in die Laufklamotten springen. Wir verabschiedeten uns und ich machte mich auf den (Heim) Weg.

Schlemmerbuffet :-)
Ich bin bereit :-)
Der Weg führte zunächst zurück zur Sperrmauer, wieder hoch zum Wildpark und dann hinein in den Kellerwald, hoch zum Peterskopf.

Zwischenstopp: Peterkopf auf 540 Meter ü NN
Dummerweise habe ich mich hier erst einmal, trotz Ortskenntnisse, gehörig verfranzt und so eine Ehrenrunde gedreht, sie sich später rächen sollte.

Ich fand doch noch den Weg hinunter ins Banfetal, wenn auch in verkehrter Richtung, so nicht weniger reizvoll.
Das allerbeste allerdings war die Stille.
Nichts.
Nichts außer dem gleichmäßigen auftreffen der La Sportiva auf dem Schotter der Waldautobahn und der Trailpassagen :-)

Es ist einfach traumhaft in der Stille des Waldes unterwegs sein zu können. Weg vom Lärm, weg von Gelaber und störenden Geräuschen.
Erst am Sonnabend lief ich wieder beim Nordhessencup meinen 4. Lauf und war tatsächlich froh, dass ich mich wieder zwischen die Führenden und dem Hauptfeld platzieren konnte und damit in aller Ruhe vor mich hin laufen durfte.
Dies gelang auch bis zum Wendepunkt der 10 km-Läufer ganz gut und konnte ab diesem Zeitpunkt die "frischen" Jungs und Mädels der 10km-Distanz als Ansporn  auf dem Weg zum Ziel nutzen, was mir unterm Strich eine 1:29:36 für 20 km und Platz 4 in der AK40 (hihi) einbrachte.

Peter, Thorsten und Martin (v.l.)
Zurück auf den Trail:
der anfängliche Sonnenschein wurde durch den Wind immer mehr von Wolken ersetzt und ab 18:00 Uhr war von Sonne nichts mehr zu sehen.


Die Aussicht am Peterskopf übers Land habe trotzdem noch genossen, schließlich war die Fernsicht einsame Spitze, wenn nicht der Fuß im Blickfeld wäre :-).


Als ich die Banfe am Einlauf zum Edersee passiert hatte, galt des den Abstieg wieder umgedreht hinauf zu hecheln und nach dem Wettkampf vom Vortag kam nun die Erschöpfung.
Ich muss gestehen, dass ich mehr gegangen bin, als das ich lief und sehr oft die Gelegenheit nutzte, mich in den kühlen Bächen des Kellerwaldes zu erfrischen :-)
Schließlich sind wir im Nationalpark und der gibt einiges an Bächen her :-)


oberhalb der Banfeschlucht 
an der Bathildishütte
am Tannendriesch
Irgendwann hatte ich das Hochspeicherbecken auf der Rückseite dann doch erreicht und erste Regentropfen fielen auf mich hinab. Angenehmer, warmer Landregen. Wundervoll :-)
Die folgenden 7 km hieß er bergab und laufen lassen.


Doch die bis hierher zurückgelegten Höhenmeter, die Kilometer und der Wettkampf gestern machten es immer schwerer.
Schließlich waren es bereits 32 km und 1100 Höhenmeter.

In Mehlen musste ich überfallmäßig die Jausestation stürmen und mir mit einem alkfreiem Weizen das Leben retten. Die Gesichter der wenigen Besucher sprachen Bände und als ich das Glas verdampf hatte machte ich mich auf die letzten 10 km. Denn hier hatte ich mich bereits entschieden, nicht bis nach Hause zu laufen, sondern mich vorm letzten Berg abholen zu lassen.
Richtig. Ich habe aufgegeben :-(
Habe ich das?
Oder habe ich nur eingestanden, an der Grenze zu sein?
Ausreden gibt es viele. Man findet auch immer welche. Aber ich war echt am Ende. Hatte keine Lust mehr, es regnete, hatte Hunger, Durst und kalt wurde es zudem auch noch. Dunkel? Ja das hätte mich auf dem letzten Berg auch noch eingeholt :-(
Also Telefon raus. In 40 Minuten bitte an der Tanke, bitte einsammeln und aus.


Unterm Strich egal.
Fast 50 km sind es geworden und sollten für das nächste Etappenziel beim Bödefelder Hollenlauf reichen. Was willst du noch holen, wenn du heute über die Grenze hinaus gehst? Nichts! Du machst eher was kaputt und 111 km kannst du vergessen.
Also DNF und gut ist.


Wer möchte darf sich gern beim Klick aufs Bild alle Details ansehen.

In Summe steht die vorletze Woche vorm Hollenlauf mit 152 km zu Buche und nun heißt es Regeneration.

KW20
Und das trotz Potsdam, Dienstreise und so weiter ...
Wo soll das nur hinführen?
Kiene Ahnung. Aber ich weiß:
Wer sich bewegt, bewegt was!

Und so werde ich mich weiter bewegen, auf mich achten und hineinhören und aufhören, wenn es nicht mehr geht und freu mir wie Bolle auf den Bödefelder Hollenlauf.

Euch danke ich von ganzem Herzen für das Lesen meines Blog, freue mich, wenn ich euch Inspiration sein darf und freue mich, wenn ihr wieder kommt. Bis dahin. Bleibt alle Gesund und munter.

Mit sportlichen Grüßen
Euer Gnü aus Zü

Montag, 2. Mai 2016

Sound of your Life ...

kennt ihr das, dass man bestimmte Songs/Musik mit bestimmten Ereignissen/Erwartungen assoziiert?

Erwartungen an bevorstehende Läufe:
Fritz Kalkbrenner "Over Water" --> Röntgenlauf 2014
Paul Kalkbrenner "Sky and sand" --> Treppenmarathon 2016

In the nighttime
when the world is at it's rest
you will find me
in the place I know the best
dancin', shoutin
'flyin' to the moon
(you) don't have to worry'
cause I'll be come back soon 

Wenn es Nacht wird
wenn die Welt in Ruhe liegt
Dann findest du mich
An dem Ort, den ich am besten kenne
Da tanze ich und rufe
Und fliege zum Mond
Mach dir keine Sorgen
Denn ich bin schon bald zurück

Nie laufe ich mit Musik im Ohr, aber für die Vorbereitung auf die härtesten 24 h meines Lebens dachte ich mir kann es vielleicht helfen.
Geholfen hat es. In der Vorbereitung auf jeden Fall.
28 Triningsläufe am nackten Mann im Bergpark Wilhelmshöhe, dem Weltkulturerbe vor der Haustür.
Der sonntägliche Spaziergang wird am Frühstückstisch geplant und schnell war klar: Auf zum nackten Mann und zum 1. Mal in 2016 stattfindenden Wasserspielen im Bergpark.

Doch so einfach hin fahren und wie die meisten anderen geht das nicht. Wir nehmen den Fußweg und sparen uns die Parkgebühr :-)


Wasserspiele 2016 sind eröffnet
Und irgendwie war es auch schon verdammt lange her, dass ich unter der Aufsicht des Herkules meine Vorbereitung absolvierte. Genau 14 Tage, 13.04.2016


letztes Training am Herkules
Wenn aber der Parkplatz 5 km entfernt liegt und dazwischen die Schwingen des Habichts einladen ihnen zu folgen, so tun wir dies.



Traumhaft schönes Wetter, ruhe (nicht überall) und dann hatten wir die Rückansicht des Herren erreicht.

Gut war auf jeden Fall der Fußmarsch, denn der Parkplatz war brechend voll und auch an den Kaskaden sammelten sich die Besucher und wollten das Schauspiel beobachten.
Wir gingen die Treppen abwärts, suchten einen geeigneten Beobachtungspunkt und harrten der Dinge, die da kommen werden.

Pünktlich 15:30:
erstes zaghaftes plätschern, sanft ansteigendes trompeten um immer stärker zu werden.
Die Baukunst des Mittelalters und die Ideen der damaligen Herren bescheren uns auch heute noch kaum vorstellbare Raffinessen.
Ohne Strom, ohne fremde Hilfe sucht sich das Wasser seinen Weg die Kaskaden abwärts und erzeugt dabei den Trompetenton.



Doch nach bereits kurzer Zeit sind die Speicher leer und das Wasser über die Kaskaden abgeflossen, durch den Bergpark zum Steinhöfer Wasserfall, über die Teufelsbrücke hin zum Aquädukt.
Es heißt wieder Sammeln; sammeln aus den Bächen des Habichtswaldes und dem Regen, um immer Mittwochs und Sonntags das geneigte Volk zu belustigen :-)))



Wir genossen es und machten uns wieder an den Aufstieg, die Treppen hinauf und mir kam die vielen Runden und die stampfenden Beats von Hr. Kalkbrenner wieder in den Sinn:

Wenn es Nacht wird
Wenn die Welt in Ruhe liegt
Dann findest du mich
An dem Ort, den ich am besten kenne
Da laufe ich und rufeUnd fliege zum Mond
Mach dir keine SorgenDenn ich bin schon bald zurück

Ist schon komisch. Ein bisschen Wehmut kommt auf. Die Erinnerung an die Treppe und die Nacht kommt zurück. Gänsehaut, während ich das schreibe. Der Wunsch, es wieder zu tun ...

Bis dahin stehen andere Ziele im Plan.
Der wurde angepasst und der P-Weg im Sauerland im September gestrichen. Zum einen passte er nicht, da ich bereits für den Kassel-Marathon gemeldet bin und zum anderen war der Hype, der um die Anmeldung gemacht wurde schon wieder nichts für mich.
So kam mir der Hinweis aus der Facebook-Gemeinde recht gelegen und ich bin für den MainTalUltraTrail in Veichtshöchheim gemeldet :-)
Passt auch so ganz gut in die Planung und Kassel kann als langer Trainingslauf herhalten.

Als nächstes Ziel steht allerdings erst einmal der Bödefelder Hollenlauf an und bis zum 28.05. ist sooo lange nun nicht mehr hin.
Die Regeneration vom Treppenmarathon ist abgeschlossen und das Ziel 111 Kilometer anvisiert. 
Die vergangene Woche kann mit 100 Laufkilometer als auch ganz ordentlich bezeichnet werden und der Monatsabschluss April so und so.


April 2016
In Summe waren es:
400 km gelaufen
360 km gekurbelt
18734 gelaufene Höhenmeter :-)))

Gerade letzteres ist besonders stark :-)

In der Spendenaktion für Ärzte ohne Grenzen sind nun inzwischen 756,18 € zusammengekommen, was mich sehr freut.
Ich bedanke mich bei allen Spendern, die diese Aktion so fleißig unterstützen und würde mich noch mehr freuen, wenn wir das Ziel von 1000 € noch erreichen.
Sucht euch eine der nächsten Veranstaltungen und spendet vielleicht den einen oder anderen Taler für eine erlaufene Zeit, ein neues Kilomerziel, ein erreichtes Level und unterstützt so die, die nicht mal eben so einem Hobby nachgehen können, sondern ums nackte Überleben kämpfen müssen.

Und auch da erinnere ich mich wieder an Musik.
30 Jahre ist es nun her, dass Udo Lindenberg sang "Wozu sind Kriege da?"
Was hat sich getan, seit dem?
Leider zu wenig. Immer noch herrscht Krieg, Vertreibung, Flucht, Zerstörung.


Es macht traurig und nachdenklich.

Es sind meistens genau diese Gedanken, die mich auf den langen Kanten beschäftigen und die Strecke vergessen lassen. Die mich ablenken und auch in Verzweiflung treiben. Mich aber auch zu diesen Aktionen inspirieren, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen, um vielleicht doch eines Tages sagen zu können, das die Lieder was erreicht haben, um diese Welt ein bisschen besser zu machen.

Vielen Dank fürs Lesen, vielen Dank fürs Spenden, vielen Dank für eure Unterstützung.

Ich verbleibe mit sportlichen Grüßen
Euer Gnü aus Zü