Montag, 10. Juni 2019

Das Ende eines Traums ...

Wie er endete ist nun hinreichend bekannt und doch möchte ich hier meine Geschichte von meinem großen Traum zu Ende bringen.



Was nützen uns die schönsten Träume, wenn man danach aufwacht ?
Fred Ammon

Nach 4 Jahren wurde der Traum Realität. Ich war auf Teneriffa angekommen und um die Sentimentalität noch zu steigern fuhr unser Bus, der uns Starter von Puerto der la Cruz nach Los Christianos bringen solle, auch noch an dem Hotel Jacaranda vorbei, wo wir damals zum ersten Mal ohne Kinder, unseren Urlaub verbrachten.
Das wurde noch mal gesteigert, indem der Startbogen genau da aufgebaut war, wo wir immer unsere Liegen und Sonnenschirm buchten, denn im Hotel war's uns zu öde.


Während wir also auf den Startschuss warteten waren meine Kinder bei mir und meine Frau im Kopf dabei.



Die Ausrüstungskontrolle war etwas hektisch, zumal ich kein Spanisch kann und die Spanier seltenst deutsch, was mir am Folgetag noch mehr zum Nachteil werden sollte.

Mit toller Stimmung und Feuerwerk wurden wir pünktlich 23:30 Uhr auf den Weg geschickt, die Insel zu queren.




Zum Thema Pünktlichkeit möchte ich auch noch was sagen: viele Beiträge, die ich von Laufveranstaltungen aus Spanien las, ließen Schlimmes erwarten. Für diese Veranstaltung kann ich das Gegenteil behaupten.

Einzig was mich ein bisschen gestört hat, war dass das Ziel in Puerto der la Cruz ist und die Marathonmesse in Santa Cruz. Das hieß noch mal mit dem Auto los.
Da ich die Adresse nicht wusste und in den E-Mails des Veranstalters diese Adresse als Sitz dessen interpretiert hatte, fragte ich Abends per Messenger nach und bekam innerhalb 15 min Rückantwort mit Wegbeschreibung.
So viel zum Thema Service hier und dem in Deutschland.


Aber zum Lauf zurück.
Die ersten Kilometer verliefen an der Playa entlang, wo auch mein Weibchen und ich immer bummeln waren. Ein paar Tränchen könnte ich nicht verdrücken, denn dass meine Frau mir so viel Freiheit lässt, ist nicht selbstverständlich.
Dankeschön mein Schatz 💘


Irgendwann verließen wir Los Christianos und es wurde dunkel um uns herum. Kopflampe und rote Heckleuchte sind Pflichtausrüstung. Bis 6 Uhr würde der Lichtkegel also ziemlich das einige sein, was wir sehen werden.



Ein bisschen habe ich mich ja auch darüber geärgert, denn gerade der Aufstieg von 0 üNN durch die Pinienwälder zur Baumgrenze sind sicher sehr beeindruckend. Aber das kommt beim Abstieg ja auch noch Mal. So war der Plan.

Aber der Blick zurück nach Los Christanos war schon schön.



Wir hatten wirklich Glück mit dem Wetter. Es wurde auf dem Teide für den Sonnabend 14°-18°C gemeldet und in 1800 üNN vor Nebel und Nieselregen gewarnt.
Nachts sollten die Temperaturen auf 4°-8°C fallen.
Ich hatte dazu vorsorglich auf der Messe neue Ärmlinge für 6€ erstanden und war nur mit Kurzarm Shirt unterwegs.


Im Rucksack hatte ich neben der vorgeschriebenen Regenjacke noch meine Windjacke eingepackt und für den Aufstieg hatte ich mich eh für meine Mütze entschieden, die für die Stirnlampe besser geeignet war.
So hatte ich auch noch mental den Freund unsrer Tochter dabei 😉



Sonst war m. E. nach für solch extremen Lauf recht wenig vorgeschrieben:
1 Liter Wasser
Notfalldecke (ich entschied mich lieber für's 1. Hilfe- Päckchen)
Notfallnahrung
Schal/Halstuch/Cap
Empfohlen wurden:
Handschuhe
Brille
Stöcke
Sonnencreme (die hatte ich tatsächlich vergessen, obwohl extra noch auf der Messe gekauft 😥)


Somit gibt es eigentlich von den ersten 40 km nichts zu berichten, da man nichts gesehen hat. Bis dahin gab es auch keine Bilder 😟

An allen VPs war richtig Stimmung und das beste war die Samba-Truppe über Vilaflor auf ~1200 üNN 😲

Das Handy wurde erst am der Baumgrenze und bei Sonnenaufgang bemüht.



Das war aber sehr, sehr beeindruckend und dem Gnü wurde es wieder einmal feucht um die Nase 😌

Wir erreichten VP Parador bei 48 km. Und auch das möchte ich hier Mal erwähnen: die km-Angaben stimmten auf die Nachkommastelle 👌
An den VPs gab es immer Wasser, Cola und Limo, Rosinen, Datteln, Orangen und Bananen. Meist auch Haribo und Schoki 😍
Aber ich war ja nicht zu futtern da und hielt mich nur minimal auf, um so wenig wie möglich Zeit zu verlieren.


Ich hatte ja als meine größten Bedenken die Cut-offs im Blick.
Aber nachdem ich bereits nach 56 Minuten den ersten VP bei km 8 erreicht hatte und beim nächsten schon 1 h im Plus war, war alles im Lot.
Was weniger im Lot war, war das mir das konzertierte Laufen schwer fiel. Ich bin so oft gestolpert und ins straucheln gekommen, das es schon fast peinlich war 😱.
Denn irgendwie lief man bei 506 gemeldeten Startern nie allein, was auch gut war. So sah man im dunklen wo es lang ging.


Auf einem Trail, die es genug gab und den Namen wirklich verdient hatten, stolperte ich und knallte mit dem linken Knie auf. Wo das war weiß ich nicht mehr, aber irgendwo  zwischen Infonche und Vilaflor.

Am VP Parador letzten (etwas) längeren Zwischstopp bevor die Gipfelbesteigung zu meistern war.
Der nächste VP würde auf dem Gipfel auf uns warten und es gab 10 km mit 1508 pos hm zu überwinden 😱


Der Aufgang der Sonne tauchte das Tal in goldenes Licht und ich fühlte mich wie im 7. Himmel.
Ich war total im Flow. Ich hatte bis hier nicht wirklich die Strecke und die Belastung wahrgenommen.
Aber was dann folgte war einfach nur der Hammer.

Und das muss ich jetzt und hier sagen: das waren die härtesten und anstrengendsten Kilometer meines Lebens.
Ich hatte ja in letzter Zeit viele Bücher über's Bergsteigen gelesen und so machen Satz, 15 Schritte und dann nach Luft schnappen, nicht wirklich so ernst genommen.
Aber hier habe ich es am eigenen Leib erfahren.
Mehr, als 20 Schritte waren nicht drin und ich musste, auf meine Stöcke gestützt, nach Atem ringen. Unvorstellbar. Unvorstellbar auch was mir durch den Kopf ging. Wie sehr muss man sich hassen, sich so etwas zu schenken?
Peter, dachte ich, du bist total bekloppt und es kam zum ersten Mal die Frage auf, warum ich mir das antue. Unvorstellbar. Diese Frage.

Und es gab tatsächlich noch Mitstreiter die an mir vorbeistapften, ohne einem Anzeichen der Anstrengung.
An Laufen war überhaupt nicht zu denken, aber manche stiegen kontinuierlich auf, langsamen Schrittes zwar, aber kontinuierlich.

Die strecke zog sich wie Kaugummi und die Kilometer schien nicht zu schwinden.
Und noch immer kein Ende in Sicht. Über mir schien der Aufstieg kein Ende zu nehmen. Immer wieder sah ich noch jemanden irgendwo zwischen den Felsen und ich dachte, ob das denn nie aufhören würde.
An manchen Stellen saßen Bergretter und als der Hubschrauber über mir kreiste wurde mir schon anders.

Am nächsten Tag wusste ich dann, dass 8 Personen mit dem Hubschrauber gerettet werden mussten.

Was ich schon nicht mehr erwartet hatte, hatte ich dann doch den nächste VP La Rambleta bei km 58 auf dem Teide erreicht 😯
Ja, ich hatte es wirklich geschafft und das deutlich vor der Cut-off-Zeit.



Die war da für 15:00 Uhr festgelegt. Was mir einen sehr guten Puffer für die letzten 45 km verschaffte.
Aber der Puffer sollte noch sowas von egal werden 😭

Nach der ausgiebigen Stärkung auf dem Teide mit Nudeln und mehr Cola wie ich eigentlich im ganzen Jahr trinke, machte ich mich an den Abstieg, natürlich nicht ohne Gipfelfoto.



Da ich mir am Donnerstag für den, in meinen Augen, nicht ganz einfachen Downhill den Plan gemacht hatte, da zu gehen, um nicht zu stürzen, ging ich die folgenden 5 km Schritt für Schritt runter zur Montana Blanca.

Und dann passierte doch das, was ich eigentlich vermeiden wollte.
Von hinten kam eine Läuferin und ich trat zur Seite, um ihr Platz zu machen, wie es sich gehört.
Dabei trat ich auf dem Geröll so doof auf einen Stein, der natürlich unter meinem Fuß wegrollte und ich zu Fall kam. Dabei habe ich mein linkes Knie verdreht und überbeugt, das es sehr unangenehm war und die nächsten 2 km noch langsamer gingen.

Als ich auf Höhe Montana Blanca ankam, wurde der Trail zu einem "normale" laufbaren Weg und es ging einigermaßen schmerzfrei weiter.

Wir verließen die Mondlandschaft und kamen endlich wieder in bewaldetes Gebiet.




So sehr mich die Landschaft am Teide fasziniert, so froh war ich wieder Wald zu sehen und vor allem zu riechen.
Dieser Duft war unbeschreiblich und ich genoss die Kilometer bis zum nächsten VP Quemado bei km 72,5.
Dort gab es zufällig eine Wanne mit Eiswürfel und Sanis mit Eisspray.
Ich blieb länger, als ich eigentlich gewollt hätte und genoss die 5 Minuten mit dem Eiswürfel auf dem Knie, obwohl nichts so sehr weh tat.

Dann ging´s weiter.
Weiter bergab.
Und das wörtlich.
Mit der Strecke und mit mir 😱


Keine 3 km hinter dem VP ging auf einmal nichts mehr.

Der Weg wurde immer schlimmer. Jeder Schritt verursachte auf einmal höllische Schmerzen. Und ich musste wirklich die Zähne aufeinander beißen.
Läufer überholten mich und fragten, ob sie helfen könnten oder ob alles okay sei.
Nein! Nichts war okay. Und helfen könnt ihr auch nicht. Oder wollt ihr mich tragen?
Über den Singeltrail, der den Namen wirklich verdient hatte.



Der Versuch, unter der Notfallnummer geholfen zu bekommen, scheiterte an der Sprache.
Die Frau, die das Gespräch annahm, konnte kein Deutsch, mein Englisch nicht dafür geeignet zu erklären, was ich hatte. Aber sie hatte wohl einen Kollegen aktiviert, der mich zurückrief. Aber auch er verstand mich wohl nicht richtig und fragte ob ich ein Problem hätte.
Ich habe ihm versucht die Situation zu erklären und wo ich sei.
Inzwischen war ich in 2 Stunden gerade 3 km gehumpelt 😱

Also auch da keine Hilfe. Also weiter. Irgendwie musste ich zum VP in Base Del Asomadero bei km 84 kommen. Das hieß noch 8 Kilometer leiden 😮
Und gelitten habe ich wirklich sehr. So sehr, dass dieses mal keine Tränen der Rührung oder Freude die Wangen herunter kullerten.

Manchmal gibt es Geschichten die nur das Leben schreibt.
Irgendwann überholten mich ein Mann und seine Frau und ihr Hola erwiderte ich mit einem Hallo, was mich als Deutschen zu erkennen gab und wir ins Gespräch kamen.
Sie sei doch Krankenschwester und habe zufällig ihr Punkturnadel dabei 😍
Leider blieb der Versuch erfolglos aber schon der Versuch gab mir neuen Mut, wann auch das Knie inzwischen einen ordentlichem Umfang hatte.




Hier sind ein paar Streckenimpressionen.
Bei min 3:00 bin ich auch eingefangen und ab min 6 kann man einen Eindruck meines "Leidensweg" bekommen.



Nach 81 Kilometern kam ich wieder in bewohntes Gebiet und sah am Ende des Weges ein Jeep der Bergrettung, die gerade abfahren wollten.
Ich rief so laut ich konnte und sie hielten noch mal an.
Mein Notruf war also doch angekommen und sie warteten auf mich.
Ich war so glücklich. Das kann sich niemand vorstellen. So ähnlich muss sich der Schiffbrüchige fühlen 😢


Sie fuhren mich zum nächsten Ort, wo mich der Rettungswagen übernehmen würde.
Nach dem Umsteigen und der lieben Worte der Rettungssanitäterin, die kein Wort Deutsch konnte, wir aber mit dem Google-Übersetzter ganz gut zurecht kamen, packte sie mich erst einmal in eine Warme Decke, denn nach dem Eintauchen in die Wolkendecke wurde der anfängliche Nieselregen schon ein kleiner Starkregen 😕



Wir fuhren zum Zielbereich, wo mich eine Ärztin untersuchte und entschied, dass ich ins Hospiz müsse.

Da aber auch sie kein Deutsch konnte, haben sie eine junge Türkin (vermute ich) herbeigerufen, die ganz gut Deutsch konnte. Also immer noch besser, wie ich Spanisch oder Türkisch 😂
Sie war sehr nett und wir hatten ein richtig guten Draht. Zum Schluss meinte sie, dass ich für 50 ganz cool und nett sei 💕
Das hat mich sehr gefreut und ich habe ihr erzählt, dass unser Sohn auch so etwas wie sie macht und sich immer ärgert, wenn die Patienten so "böse" seien.

Im Hospiz mit Blaulicht angekommen, inzwischen ohne Hose die die Ärztin tatsächlich aufschneiden wollte, was ich verweigert habe, schließlich habe ich die zum Geburtstag von meiner Frau bekommen und war nagelneu, meine CEP-Trail-Shorts.
Also mit zähnezusammenbeißen die Hose ausgezogen und ab zum Röntgen.

Auch im Hospiz waren alle sehr nett und ausgesprochen lieb.

Wie vorher die Türkin besorgte man auch hier eine Frau die fließend Deutsch sprach, nicht verwunderlich, als Deutsche in Spanien lebend 😁
Das Röntgen brachte die erste positive Nachricht: Nichts gebrochen.
Der Arzt vermutete Muskelriss, was mir aber nicht richtig erschien, und wollte mich dabehalten.

Dem konnte und wollte ich nicht zustimmen und bestand auf Entlassung.
Ich war hungrig und müde, stank wie ein Schwein und musste dringend unter eine Dusche.

Mit Unterschrift durfte ich das Hospiz verlassen und die Schwestern gaben mir noch eine Schmerzinfusion mit auf den Weg, die ich wieder schön in eine Decke eingemummelt bekam.




Die Schwestern riefen ein Taxi und der Arzt verabschiedete sich noch mal persönlich. Fast wie in Deutschland, aber nur fast.

Das muss ich hier ausdrücklich Mitteilen:
Die Freundlichkeit, das Zuvorkommen und der immer höfliche Ton allein sind eigentlich ein Grund zum Auswandern.
Wenn ich daran denke, wie lange ich schon in Deutschland warten musste, um geröntgt zu werden oder eine Diagnose zu bekommen. Oder wie manche Menschen an der Kasse rumpöbeln, im Supermarkt, bei Bäcker ...

20:30 erreichte ich 24 Stunden nach verlassen des Hotels selbiges wieder und hatte so das Glück den ersten Punkt meiner Wünsche abzuhaken: Hunger stillen 😌



Gedünstetes Gemüse mit Papas und roter Soße. Lecker 😋

Der nächste Wunsch wurde auch sofort umgesetzt und ich nahm noch ein Schlafbier mit in Zimmer, wo ich Wunsch Nr. 3 umsetzte:



Duschen 😃

Als fast neuer Mensch fiel ich in mein Bettchen und wachte tatsächlich erst nach 10:30 Stunden wieder auf 😲

Das war ganz sicher nicht das geplante, noch das gewünschte Ende meines großen Traums.
Aber so ist´s nun mal. Nicht zu änder, nicht rückgängig zu machen.

Was mich aber selbst am allermeisten wundert:
Ich bin nicht traurig, nicht gefinsht zu haben.
Ich bin nicht böse, ohne Medaille heim zureisen.
Ich hege keinen Groll, gegen die mich überholende Läuferin.

Nein. Das ist zwar schade, dass es so (nicht) zu Ende ging, lässt sich aber nicht ändern.
Auch wenn ich am Berg noch dachte, warum ich mir das antue und mir sagte: nie wieder, bin ich mir da heute schon gar nicht mehr so sicher 😉

Ja. So geht also mein großer Traum ohne Happyend zu ende und während ich nun hier nicht wegkomme und versuche in Deutschland jemanden an der Servicenummer von TUI flight zu erreichen, liege ich, das linke Bein im Pool kühlend und am Sonntag in der Apotheke geholte Medikamente die Schmeren und Schwellung bekämpfend, lacht mein Traumberg El Teide frech zu mir herüber.



Was er mir wohl zuruft?

Wie geht es weiter?
Neue Ziele?
Keine in Sicht zur Zeit!
Aber weitergehen wird es!
Und das mit Sicherheit auch laufend 😃


So hat das Zitat Eingangs eine ganz besondere Bedeutung:
Was nützen uns die schönsten Träume, wenn man danach aufwacht ? 

Euch allen danke ich von ganzem Herzen für das Lesen meiner Geschichte auf dem Weg zu meinem großen Traum.
Vielen Dank für eure lieben Worte, über welchen Kanal auch immer sie mich erreicht haben. Ich habe mich über jedes einzelne sehr gefreut.

Ich verbleibe mit sportlichen Grüßen
Euer Gnü aus Zü

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