Montag, 23. April 2018

Seitenwechsel ...

kann man es nennen 😉



Meine erste offizielle Ultra-Distanz und Wettkampf war der Müritz-Lauf 2014 und damals fiel mir besonders auf, dass die (meist) Damen der Versorgungsstände die 60 schon erreicht oder überschritten hatten, und ich fragte mich, was werden wird, wenn diese lieben Hände nicht mehr für uns da sein werden.

So war bei meinem letzten Zieleinlauf beim 13. Sächsischen Mt. Everest klar, dass ich auch etwas von dem zurückgeben möchte, was ich nun so oft von anderen erfahren durfte: Hilfe und Unterstützung.

Bei Ulf meldete ich mich dazu mehrmals, damit er mich auch nicht vergessen möge 😃 und ich freute mich wie jeder Starter auf den 21. April 2018, dass der 14. Sächsische Mt. Everest nun endlich starten möge 😍

Ja. Auch wenn ich nicht aktiv als "Treppler" startete, war es doch fast so.

Ich verfolgte von vielen der gemeldeten Starterinnen und Startern die Vorbereitung und wenn man ehrlich ist, ist das Starterfeld schon eine kleine handvoll Extremisten. Ich möchte das nicht übertreiben, aber als zweifacher Teilnehmer und wie auch die Homepage der Veranstaltung schreibt, ist dieser Wettkampf schon sehr speziell und geht doch sehr weit über einen "normalen" Ultralauf hinaus, was auch immer an einem Ultra normal sein mag 😂

Hier lernst du dich vollkommen neu kennen und wirst überrascht sein, was du entdeckst.
Es ist nicht nur Kraft gefragt, Durchhaltevermögen oder Ausdauer. Hierbei wird dir ALLES abverlangt, was du vorher noch nie kennengelernst hast.

Die Aufgabe ist es in 100 Runden den Mt. Everest zu bezwingen. Heißt 8848 pos. Höhenmeter. Aber nicht von einem Basislager aus. Sondern von Höhe des Meeresspiegel bis zum Gipfel. Das, so wage ich zu behaupten, hat noch kein Bezwinger des realen Mt. Everest geschafft.
Okay. Du benötigst keine Sherpas, keinen Sauerstoff, kein Lager. Du benötigst nur einen eisernen Willen.

Am Sonnabend trat ich die Reise zum 14. Sächsischen Mt. Everest an und freute mich wie Bolle, nun endlich alle meine verrückten Treppenflitzer wieder zu sehen und neue kennen zulernen.
Ja, auch Neustarter sind so verrückt es zu versuchen, wie es auch immer wieder Wiederholungstäter nach Radebeul an die Spitzhaustreppe zieht.

Dies Treppe entwarf Herr Pöppelmann, um das Weingut Hof Lösnitz mit dem Spitzhaus zu verbinden und lehnte sich dazu an die Jahreszeiten und den Kalender an.

Die Treppe, die die Welt bedeutet (für einige wenigstens), hat 52 Absätze mit jeweils 7 Stufen was 397 macht. Für die Schaltjahre wurden Extrastufen eingebunden, die allerdings für den metm (Mt. Everest Treppenmarathon) keine Rolle spielen und ausgelassen werden.
Somit kommt man auf der vermessen Strecke, eben bei besagten 100 Runden, auf die 8848 Höhenmeter, 39700 Stufen und der Doppelmarathondistanz. Wer dann noch nicht genug hat darf gern ein paar "Extrarunden" drehen und die 24 Stunden voll auskosten 😀

Warum aber verlangt das, was so einfach klingt, so viel von einem ab?
Nun ja. Es ist sehr einfach das Handtuch zu werfen, wenn du deinen bisherigen Horizont erreicht hast und deine Komfortzone beginnst zu verlassen, wenn du sie nicht schon lange verlassen hast, als du dich angemeldet hast, da man ja in jeder Runde, also nach rund 840 Metern, wieder am Start, dem Versorgungspunkt und am Ruhezelt vorbeikommt. Somit die Schwelle, aufzugeben, sehr niedrig ist, wenn du nicht ein harter Hund zu dir selbst bist 😦


Glaubt mir. Ich übertreibe es nicht. Nach meinen 2 Starts und dem Durchlaufen aller Klimazonen weiß ich, wovon ich spreche.

Das Wetter der vergangen Tage und der Wetterbericht ließen auf ein perfektes Wettkampfwochenende hoffe und mir wurde bei den Meldungen der zu erwartenden Temperaturen mehr als warm um´s Herz.

2016 hatte ich neben meinem Durchfall auch noch ab 3:30 Uhr in der Nacht mit einsetzendem Regen zu kämpfen und 2017 durchliefen wir tatsächlich alle Klimazonen.
Zum Start warm und angenehm, wurde es in der Nacht empfindlich kalt und kurz vorm Ende 16:00 Uhr setzte zum Höhepunkt auch noch Graupelschauer ein, was letztlich dazu führte, dass alles, was meine Klamottenkiste hergab, benutzt wurde und im Einsatz war.



Pünktlich 14:30 landete ich in Radebeul und zum Briefing der Teilnehmer.
Ach war das eine Freude.
Ich war mindesten genau so aufgeregt wie die, die ihren Starterbeutel empfingen.



16:00 Uhr fiel dann der Startschuss und alles stürzte sich zum ersten Mal in die Tiefe, um nach 397 Stufen, einem kurzen Aphaltstück und dem Umkreisen der Wendepylone wieder den selben Weg hinauf zu steigen.



Ich sag mal so: nach 2 Stunden und sahen so ziemlich alle besch... aus und ich war sehr dankbar mich nicht an der Hitzeschlacht beteiligen zu müssen, denn meins ist das Wetter jenseits der 20°-Marke für einen Lauf definitiv nicht.

Meine liebe Freundin Kerstin, mein liebes Renntier Tommy und ich, sowie viele andere helfenden Hände, hatten also die Aufgabe, euch liebe Starterinnen und Starter zu versorgen, zu verwöhnen, zu unterstützen und so gut es ging jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
Das Verwöhnen wurde besonders Gunnar zuteil, der in jeder Runde von seiner Kerstin einen Kuss bekam, aber so weit wollte ich beim Anblick der verschwitzten Gesichter nun wirklich nicht gehen 😁



Ich versuche es mal so auszudrücken:
es war eine ganz neue Erfahrung auch für mich.
So gern wäre ich (nicht nur als Helfer) dabeigewesen.
Aber was man so als Helfer erleben darf ist ebenso emotional, wie selbst zu starten.
Wenn man es selbst schon mal erfahren und durchlebt hat, kann man schon fast Gesichtsausdrücke ohne Worte deuten, wie es dem Starter/in geht, was er/sie benötigt oder ihn/sie einfach in Ruhe lässt.

Ich weiß, dass nach 16 Stunden alles im Mund nur noch ein Klumpen ist, nichts mehr schmeckt, man sich und alle, die einen ansprechen, nur noch hasst. Man eigentlich nur noch alles hinschmeißen will, die Füße keinen Bock mehr haben, der Kopf schon lange abgeschaltet hat, das Zelt ruft und es so einfach wäre, die Startnummer abzunehmen und dem Körper nachzugeben.
Aber du tust es nicht. Du willst dieses Ding zu Ende bringen. Dafür hast du trainiert. Darauf hat du hingearbeitet. Dafür hast du auf so viel verzichtet. Hast Familientermine absagt, das Steak gegen Gemüse getauscht, dich diszipliniert, anderen gegenüber dein Verhalten gerechtfertigt und Kopfschütteln geerntet.
Wofür?
Um so einen Quatsch zu machen und am Ende des Tages als Finisher den Mt. Everest bezwungen, oder es wenigstens versucht zu haben.

Gestartet sind 65 Männer und 12 Frauen.
Ausgestiegen und den Gipfel erreicht haben wegen des Wetters viele der eigentlichen Favoriten nicht.

Die führende Frau habe ich ins Zelt begleitet und nach mehrmaligen Nachfragen den Notarzt geholt, der eine weitere Teilnahme untersagte, was trotzdem versucht wurde und mit einem Zusammenbruch auf der Strecke endete.

Katrin, die mit ihrem Start als mehrmalige Iron(Wo)man-Teilnehmerin auf Hawaii sicherlich an so manches gewohnt ist, musste hart kämpfen was letztendliches mit einem 2. Platz belohnt wurde.



Auch Carmen hat alle gegen und kann inzwischen auf einige Treppenerfahrung im In- und Ausland verweisen.
Gemeinsam mit Jörg hat sie viel trainiert und auch sie wurde mit einem Podestplatz belohnt.



Jörg hat stark gekämpft. Konnte den Gipfel aber trotz Strategiegespräch mit der der besseren Hälfte leider nicht erreichen 😮



Iwi konnte als erste Frau erfolgreich ihren 3. Start finishen.



Viele der männlichen Favoriten mussten, wie schon geschrieben, dem Wetter Tribut zollen aber Petru stand nach 14:25 Stunden als Gewinner fest.



Ich möchte allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen, Finishern und Finisherinnen, allen die es versucht haben, mein aller höhstes Lob aussprechen: das war der absolute Wahnsinn, was ihr da geleistet habt.
Ganz ehrlich: auch wenn ich nicht gelaufen bin, es war nicht minder emotional für mich. Ich musste so manches Tränchen verstecken und selbst jetzt wird es ein bisschen feucht um die Nase 😍

Da es ein richtig guten Team war, wobei ich den Begriff Team gar nicht mag, denn er heißt ja Toll Ein Anderer Machts, war es richtig toll. Auch für uns. Es lief nicht alles zu 100%. Wichtig war aber, dass das die Treppler das nicht beeinflusste oder irritierte.

Während im Küchenzelt fleißige Hände Brote schmierten, Kaffee kochten, Getränkebehälter füllten und die Läufer und Läuferinnen im Inneren versorgten, taten wir dies draußen.







Spaß hatten wir natürlich immer 😁
Ob wir nun euch versorgten, oder auch untereinander.






2019 wird es auch für mich (hoffentlich) wieder an den Start gehen. Denn so unglaublich anstrengend es ist und für viele unvorstellbar: bist du einmal mit dem Treppenvirus infiziert, bist du unweigerlich der Treppe verfallen.

Diese Emotionen sind unbeschreiblich. Dieser Zusammenhalt, den du nur hier erfährst, nur hier erleben kannst.
Es ist natürlich ein Wettkampf, aber es kommt kein Wettkampfchrakter auf. Jeder hilft. Jeder hat ein liebes Wort für dich. Nicht nur vom Supporterteam. Nein auch untereinander, denn man begegnet sich schließlich in jeder Runde, bei jedem Auf- und Abstieg.

In dem Sinne freue ich mich wie verrückt, wenn endlich der 1. Oktober ist und die Anmeldung zum 15. Sächsischen Mt. Everest öffnet und der Gnü aus Zü den 3. Start angehen kann.
Wenn auch ein Ergebnis heute noch nicht mal ansatzweise, über einen Ausgang nachgedacht werden kann. Aber so viel Mystik, wie die Treppe hat, ist einmalig.

2016: 111 Runden, einen Monat später 111 km in Bödefeld
2017: 118 Runden, KoBoLT nach 118 km DNF
2018: hatte am Morgen Brötchen geholt und 3,33 € bezahlt; wäre ich gestartet, was wäre vielleicht raus gekommen bei meinem 3. Start?

Den 3. Platz hat einer mit 117 Runden geholt ...
Magie ...

😱😱😱

Euch danke ich von ganzem Herzen für das Lesen meines Blog, wenn ihr mir einen Kommentar hinterlasst und verbleibe mit sportlichen Grüßen

Euer Gnü aus Zü

2 Kommentare:

  1. Super geschrieben! Die andere Seite ist unglaublich emotional, besonders für jemanden, der beide kennt... Und 100000 Dank für die liebevolle Versorgung!

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    1. nichts zu Danken, es war mir eine besondere Ehre und freut mich sehr, dass dir mein Bericht gefällt :-)
      Ich hoffe du bist gut regeneriert und kannst wieder Treppensteigen.

      LG
      Peter

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